English translation below
Es sollte ein Jahreswechsel, wie jeder andere werden. Gezwirbelt, getüncht, geschmirgelt und gebügelt ins Restaurant. Darf es ein Glässchen Sekt zum Entrée sein, sechs Gänge und doch nichts auf dem Teller. So, noch eine Stunde bis zum Jahreswechsel, tick tack, die Zeit will nicht vergehen. Quälend langsam schiebt sich der Zeiger gen 12. Ja, lass uns noch ein Gläschen Sekt bestellen, dass wir gleich anstoßen können. Der Countdown läuft, 10, wo ist mein Schal, 9 verdammt wo sind die Wunderkerzen, 8 hast du das Feuerzeug eingesteckt, 7 schnell in die Jacke, 6 Mensch, wo ist der verdammte Schal, 5 wieso sind wir immer spät dran, 4 #efficiencygoals2022, 3 ok, jetzt isses auch schon Wurscht, 2 hast du die Gläser, 1 stolpernd auf die Straße, bumm, frohes Neues, ach ist das schön, die Farben die Lichter, können wir endlich heim? Mir ist kalt.
Das Leben spielt, wenn man es spielen lässt und es kommt anders. Rewind! 12 h zurück:
Ich sitze in einem Hamburger Café, meine Freundin stürmt herein, schiebt mir ihr Telefon unter die Nase und bittet mich zu lesen. Worte, schwarz auf weiß. Meine intellektuellen Schnittstellen erschaffen langsam Sinn und mein Bewusstsein nimmt allmählich wahr, um was es sich hier handelt. Das ist eine Tinder-Anzeige. Zwei Männer suchen zwei Frauen für einen witzigen Abend zu viert, spontan, "Wer hat Lust heute Abend?". Ich schaue meine Freundin aus, von Entsetzen geweiteten Augen, an. Ein vielsagender Blick, gefolgt von den Worten: "Ich kann ja einfach mal schreiben, mal sehen ob die sich überhaupt melden". Das ist ein Hinterhalt, ich erbitte mir Zeit, mich an den Gedanken zu gewöhnen, mit zwei wildfremden Männern, einen gesamten Abend verbringen zu müssen. So ein Abend kann verdammt lang sein, wenn die Wellenlänge nicht passt, wenn die Grundsatzfragen zu eindeutigen: "No-match" oder gar zu "Alter-von-welchem-Stern-und-aus-welcher-Galaxie-kommst-du-denn?" -situationen führen. Die Männer sagen zu und meine Bedenken sind überstimmt. "Einfach mal machen", sagt sie. Na gut, so sei es.
Es sei die 2c im Hinterhof. Das sei schwer zu finden und einer von ihnen hole uns ab. Nicht nötig, schaffen wir auch so - wir sind um die halbe Welt gereist. Das werden wir gerade noch hinbekommen. Die Zuversicht in unsere weiblichen Lebens- und Überlebensstrategien, scheint schon mal deutlich unter Standard zu liegen. Die Tür geht auf. Eintreten, eine Umarmung - Corona hin oder her - was soll man auch sonst so machen. Seltsame Momente des gegenseitigen Ausspähens werden weg gelacht, ein Drink wird gereicht. "Und, was machst du so?". Ein Kennenlernen im Schnellverfahren. Eine Stimmungslampe, mit Eigenleben, deren Besitzer noch nicht eingesehen hat, wer hier das Zepter in der Hand hält, soll ein konstantes, warmes und heimeliges gelbes Licht erzeugen. Doch die Lampe lässt sich nicht auf diesen Kuhhandel ein, tut wozu sie erschaffen wurde, und untermalt unseren Abend in allen Farben des Regenbogens. Das gelbe Licht, wird bald ein rotes. Es wird gelacht, gequatscht, pink, blau, Orangetöne zum Essen. Die beiden haben sich mächtig ins Zeug gelegt. Vegetarier willkommen. Orientalische Köstlichkeiten, werden verschmatzt und es wird noch mehr gelacht. Als die Stimmungslampe in ein farbenfrohes, frivoles Lichterkonzert einsteigt, sehe ich zum ersten Mal auf die Uhr, es ist 11.30 Uhr. Wow, wo ist die Zeit hin? Sie ist wie im Fluge verstrichen - ein Jetflug durch die Seiten, die das Leben schreibt, von Generälen, Parallelwelten, einschneidenden Erlebnissen und deren musikalischen Assoziationen, Biene Maya Autos, Lobsteressen, Twingos mit erhängten Barbies, Kunst und Chaos. Aus vier Fremden, werden vier Geschwister im Geiste, wenn auch nur für einen Abend.
5 vor 12, oh Mann, wieder verquatscht. Die Stimmungslampe spielt verrückt - #efficiencygoals2022 - schnell die Sektbuddle und die Wunderkerzen einstecken und 5 nach 12 das neue Jahr begrüßen. Glückliche Gesichter und das Gefühl, dass ein Jahr, das so beginnt, definitiv gut werden, ein ordentliches Maß an Abenteuer bereithalten und mit viel Spontaneität gewürzt, ein richtig Gutes werden wird. ABBAs Happy New Year leitet weitere kulinarische Highlights ein. Eine Ananas wird stilecht mit Beil (natürlich, was sonst!) ihrer Schale entledigt, begibt sich in ein blaues Flammenkleid und ergießt sich vom Tasmanischen Pfeffer geküsst auf unsere Teller. Unsere Lampenfreundin nimmt zum ersten Mal an diesem Abend, freiwillig ihre Zielfarbe ein und erstrahlt in gaumenbeglücktem, warmem Gelb.
Um 5 Uhr am Morgen, ziehen wir über leeren Gläsern und Tellern eine Bilanz und finden, dass wir alle schon seit langem kein so witziges Sylvester mehr hatten und dass wir Tinder, einer spontanen Eingebung, zweier Männer und der Verrücktheit zweier Frauen, durchaus dankbar sein können. Die Stimmungslampe erhellt den Raum, zum letzten Mal an diesem Abend, in ein tiefrotes Licht und scheint uns zuzustimmen.
Wir gehen mit einem Lächeln nach Hause und wachen auch mit diesem Lächeln am nächsten Tag wieder auf. So kann ein Jahr starten. Hallo 2022 - ich freue mich auf Dich!
It was supposed to be a turn of the year like any other. Twirled, whitewashed, sanded and ironed into the restaurant. May it be a glass of champagne for the entrée, six courses and yet nothing on the plate. So, another hour until the turn of the year, tick tock, time doesn't want to pass. The hand moves agonizingly slowly towards 12. Yes, let's order another glass of champagne so that we can toast in a moment. The countdown is on, 10, where's my scarf, 9 damn it, where are the sparklers, 8 did you take the lighter, 7 quickly into the jacket, 6 man, where's the damn scarf, 5 why are we always late, 4 #efficiencygoals2022, 3 ok, now it doesn't matter, 2 do you have the glasses, 1 stumbling into the street, boom, happy new year, oh it's beautiful, the colors the lights, can we finally go home? I'm cold.
Life plays when you let it play and it comes differently. Rewind. 12 h back:
I'm sitting in a café in Hamburg, my girlfriend storms in, shoves her phone under my nose and asks me to read. Words, black on white. My intellectual interfaces slowly create sense and my consciousness gradually perceives what this is all about. It's a Tinder ad. Two men are looking for two women for a fun night out for four, spontaneous, "Who's up for tonight?". I look at my girlfriend from, eyes widened in horror. A telling look, followed by the words: "I can just write, let's see if they get in touch at all". This is an ambush, I ask for time to get used to the idea of having to spend an entire evening with two complete strangers. Such an evening can be damn long, if the wavelength doesn't fit, if the basic questions lead to clear: "No-match" or even to "Dude-from-which-star-and-from-which-galaxy-did-you-come-from?" -situations. The men agree, and my concerns are overruled. "Just go for it," she says. All right, so be it.
It's the 2c in the backyard, she says. It's hard to find and one of them will pick us up. No need, we'll manage - we've traveled halfway around the world. We'll just manage. The confidence in our female life and survival strategies seems to be well below standard. The door opens. Enter, a hug - Corona or not - what else can you do. Strange moments of spying on each other are laughed away, a drink is handed. "So, what do you do?". A getting-to-know-you quickie. A mood lamp, with a life of its own, whose owner has not yet realized who holds the scepter here, is supposed to produce a constant, warm and homey yellow light. But the lamp does not get involved in this horse-trading, does what it was created for and underlines our evening in all the colors of the rainbow. The yellow light, soon becomes a red. There is laughter, chatter, pink, blue, shades of orange for dinner. The two of them put a lot of effort into it. Vegetarians welcome. Oriental delicacies, are smacked and there is more laughter. As the mood lighting goes into a colorful, frivolous concert of lights, I look at the clock for the first time, it's 11:30. Wow, where did the time go? It has flown by - a jet flight through the pages that life writes, of generals, parallel worlds, incisive experiences and their musical associations, Maya bee cars, lobster dinners, Twingos with hanged Barbies, art and mayhem. Four strangers, become four siblings in spirit, if only for one evening.
Five to 12, oh boy, squirreled away again. The mood lamp goes crazy - #efficiencygoals2022 - quickly plug in the champagne buddies and sparklers and welcome the new year 5 past 12. Happy faces and the feeling that a year that starts like this will definitely be good, hold a decent amount of adventure and spiced with a lot of spontaneity, will be a really good one. ABBA's Happy New Year ushers in more culinary highlights. A pineapple is stripped of its shell in proper style with a hatchet (of course, what else!), gets into a blue dress of flames and pours onto our plates kissed by Tasmanian pepper. Our lamp friend, for the first time this evening, voluntarily takes her target color and shines in palate-pleasing, warm yellow.
At 5 a.m., we take stock over empty glasses and plates and find that we all haven't had such a fun New Year's Eve in a long time and that we can definitely be grateful to Tinder, a spontaneous inspiration, of two men and the craziness of two women. The mood lamp illuminates the room, for the last time that evening, in a deep red light and seems to agree with us.
We go home with a smile and wake up with the same smile the next day. That's how a year can start. Hello 2022 - I look forward to seeing you!
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